Sehnsucht und die andere Seite des Frauseins

Gestern Abend kam mir plötzlich eine Geschichte aus meiner Studienzeit in den Kopf.

Eine Kommilitonin war im Sommer von einem gemeinsamen Treffen nach Hause unterwegs, als sie an einer Straßenbahnhaltestelle von ein paar Männern belästigt wurde.

Sie hatte einen Rock an und die Männer versuchten ihr unter diesen zu fassen und zu schauen … machten zweideutige Bemerkungen und bedrängten und begrabschten sie. Sie schaffte es wegzulaufen und kam heulend nach Hause. Ihre Mitbewohnerin bewegte sie gleich zur Polizei zu gehen und eine Anzeige zu erstatten.

Meine Kommilitoninnen erzählten mir, dass Frauen so was öfters erleben, wenn auch nicht immer in diesem Ausmaß … aber sie würden auch oft „nur“ verbal von irgendwelchen Männer belästigt.

Bis dahin habe ich mir nie Gedanken um sowas gemacht. Ich war damals total geschockt – und ertappte mich dabei, dass ich froh war so etwas nicht erleben zu müssen – und irgendwie schämte ich mich sogleich für diesen Gedanken! Einerseits wollte ich eine „komplette“ Frau sein und auf der anderen Seite war ich erleichtert diese negativen Seiten des Frauseins nicht erleben zu müssen.

Wenn ich davon träume und mir Wünsche eine Leben als „richtige“ Frau führen zu können, denke ich so gut wie nie an die negativen Seiten eines Frauendasein … dafür bin ich viel zu sehr gefangen in meinem privilegierten Männerdasein.

Ich denke nicht an Menstruationsbeschwerden, Wechseljahre, körperlich schwächer zu sein, Opfer von Belästigungen und sexuellen Übergriffen zu werden, Angst im Dunkeln auf dem Heimweg, Benachteiligungen im Job und beim Gehalt, soziale Stellung, höhere Kosten für Friseur, bei Lebensversicherungen usw.

Und obwohl mir diese „Benachteiligungen“ bewusst sind, dass ein Mann zu sein eine Menge Vorteile hat, ist da doch diese tiefe Sehnsucht eine Frau zu sein!

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